Nicht unbeschwert, auf das Training fokussiert

Unterschiedlicher können Lebensumstände und Biografien kaum sein: Während viele MSC-SeglerInnen die Frühjahrsferien nutzten und an den Gardasee zum Training fahren, kommen im Clubhaus die ersten Geflüchteten aus der Ukraine an

Endlich, nach zwei Jahren Corona-Pause, machte sich eine große MSC-Gruppe wieder in der ersten Woche der Hamburger Frühjahrsferien auf zum Gardasee. Mit Optis, IlCAS und 420ern im Gepäck bereiten sich Kinder und Jugendliche des MSC auf die neue Saison vor, unterstützt vom erfahrenen MSC-Trainerteam und Eltern. Im Vorfeld haben die TrainerInnen mit ihren Schützlingen in Perspektivgesprächen erarbeitet, wo die Ziele für diese Saison liegen. Welche Qualifikation soll erreicht werden? Welches Manöver noch viel besser gelingen? Wie wird die Trainingszeit optimal genutzt?

Kalter Primavera am Gardasee

An den beiden ersten Tagen präsentierte sich der beeindruckend große See in winterlicher Schönheit. Leichter Nachtfrost ließ die Schoten gefrieren und zauberte einen Hauch von Eis auf die Plastikrümpfe der Motorboote. Hauptsache warm anziehen ist oberste Prämisse für SeglerInnen und TrainerInnen auf dem Wasser – wie schön, wenn man nur in die Tasche greifen muss, um die wärmende Skiunterwäsche herauszuholen oder in einem der gut sortierten Geschäfte am Gardasee schnell noch ein paar weitere dicke Handschuhe kaufen kann.

Nachdenken über den alltäglichen Luxus

Dass dieser Luxus, in dem wir tagtäglich leben, dieses unumstößliche Gefühl der Sicherheit, dass unser Leben in geordneten Bahnen verläuft und sich für jedes Problemchen immer eine Lösung finden lässt, alles andere als selbstverständlich ist, haben uns die Bilder von dem furchtbaren Krieg in der Ukraine und den über 1 Million Geflüchteten gezeigt. Während wir unsere Taschen für die Abfahrt zum Gardasee packten, hat im MSC ein freiwilliger Helferkreis die Clubräume in ein liebevolles Erstaufnahmelager für Frauen und Kinder aus der Ukraine umfunktioniert. Während wir noch schnell die Adressen der Appartements und Hotels in Torbole gecheckt haben, wurden im großen Raum des MSC Feldbetten aufgestellt, Betten bezogen und gespendete Handtücher und Hygieneartikel auf den Fensterbänken drapiert.

Ist Urlaub moralisch vertretbar?

Die Frage, ob man in einer solchen Situation, wenn mitten in Europa ein furchtbarer Krieg tobt und täglich Tausende von Menschen aus den umkämpften Gebieten fliehen, in den Urlaub fahren darf, hat viele bewegt. Genauso wie die Frage, ob es nicht viel wichtiger wäre, jetzt in Hamburg vor Ort zu sein und zu helfen, anstatt am Gardasee einen Cappuccino zu trinken.

Beruhigt haben uns die Nachrichten aus Hamburg. Dank der vielen unermüdlichen HelferInnen läuft alles, die Geflüchteten sind gut angekommen, bis auf Handys, Powerbanks und Rollkoffer gibt es derzeit nichts, was wir ad hoc für die Geflüchteten organisieren können. Die Menschen werden noch viele Wochen und Monate auf unsere Hilfe angewiesen sein. Und je länger dieser zerstörerische Krieg dauert, desto mehr Menschen werden zu uns flüchten und eine dauerhafte Perspektive brauchen. Wer jetzt am Gardasee ist, wird zurück in Hamburg sehen, wo er gebraucht wird und helfen kann. Und kann ein kleines bisschen seines alltäglichen Luxus abgeben, indem er jetzt spendet. Egal ob an den MSC, oder eine der großen Hilfsorganisationen.

Integration als gemeinsame Aufgabe

Was wünschen wir unseren Neuankömmlingen aus der Ukraine? Dass sie beim Blick auf die Elbe für einen Moment ihre Sorgen vergessen und Frieden finden. Dass die Hilfsbereitschaft der umliegenden Staaten, HamburgerInnen und MSC-Mitglieder und Unterstützer nicht erlahmt und sie so bald wie möglich ein eigenes Dach über dem Kopf finden, die Kinder zur Schule gehen können und die Familien integriert werden. Der MSC wird seinen Beitrag dazu leisten.

Text: Sandra Valeska Bruhns, Fotos: Carsten Porthun